Seekiste-Seekistengriffe

Manchmal baute der Schiffszimmerman die Seekiste, doch oft war sie von Tischlern an Land gefertigt worden und über die "Ausrüster" zu beziehen.Seekgr.geteert.b_Kopie.gif

Die passenden Griffe aus Tauwerk fertigte sich der Seemann häufig in monatelanger Arbeit selbst. Ein schön geformter Tauwerkskern wurde mit zwei bis drei unterschiedlichen Flechtmustern aus dünnem Hanf- oder Baumwollgarn bekleidet und an den Übergängen mit Türkischen Bunden belegt. Die beiden Augen des Tauwerkkernes bekleidete man mit einem Schweinsrücken, führte ein lederbenähtes Taustück durch diese und legte aus dessen Enden einen Fallreepsknoten oder einen anderen der vielen kunstvollen Endknoten. Zum Schutz gegen Feuchtigkeit versah man die Arbeit mit einem Farb- oder Teeranstrich.

Das Ergebnis:
Ein kunstvoll geflochtener Tragegriff für Janmaats Seekiste, die ihn von Schiff zu Schiff begleitete. Ein Zeichen seines Seemannsstolzes und heute, Zeugnis seemännischer Volkskunst.

"Zuallererst wurde die Seekiste gekauft: Ein Holzkasten von etwa 1 Meter Länge, 50 cm Breite und 40 cm Tiefe. Die Bretter sind einen Zoll dick,Seekiste.Beckets__9_.gif und die Deckelseite ist etwas schmaler als der Boden, damit sie nicht so leicht umkippt. An der linken Seite ist oben quer herüber ein kleiner Extrakasten mit Deckel eingebaut.In ihm werden Nähzeug, Briefpapier, Photographien, und was man sonst noch an wertvollen Sachen besitzen mag, aufbewahrt. Die Kiste ist gezinkt und wasserdicht verleimt, der Deckel schwarz, der untere Teil grün gestrichen; an jeder Schmalseite befindet sich ein Griff.Da das Mannschaftslogis auf den Segelschiffen damals sehr schmal war, so wurden die Seekisten, die stärker waren als der beste Koffer, vor den Kojen in langer Reihe aneinandergestellt und dienten gleichzeitig als Sitzplatz."  Karl Kircheiss, Wasser, Wind und weite Welt

Die Seekiste, zur Aufnahme der persönlichen Ausrüstung, war der "Koffer" der Seeleute des 18. und 19. Jahrhunderts.

War ein junger Mann erstmals als Schiffsjunge angeheuert, so führte ihn der erste Weg zum Ausrüster, um die Seeausrüstung, natürlich aus eigener Tasche, zu erstehen.

Diesen Weg ging der "Junge" natürlich in Begleitung seines : "Heuerbaas",der nicht selten mit dem Ausrüster zusammenarbeitete und eine Provision auf Kosten des angehenden Seemanns einstrich. Von welcher Qualität, die teuer bezahle Erstausrüstung war, das sollte sich auf See nur allzu schnell herausstellen. Worin bestand nun die Ausrüstung für einen Schiffsjungen? In die Kiste wurde nun alles hinein-gepackt, was ein Seemann nötig brauchte: 8 Paar dicke wollene Strümpfe, 4 Sätze graues und zwei Sätze ganz dickes, blaues Flanellunterzeug, 6 blaugestreifte Hemden, 4 blaue Dungeryhosen, 2 blaue Buscherunjes (Sweater), 1 dickes Düffeljackett, 2 Tom o Shanter (Wollmützen mit Pompon), 12 rotgemusterte Taschentücher, 6 weiße Leinenmützen, 1 Satz Kojengardinen, 1 Emaille-Eßgeschirr mit Mug und Messer, Gabel und Löffel, 1 Nähzeug 2 Paar Deckschuhe und ein Leibriemen mit Scheidemesser". Karl Kircheiss, Wasser, Wind und weite Welt.

Hier ist aufgeführt, was man an Bord unbedingt brauchte. Es war auch nicht immer so, daß den Seeleuten empfohlen oder vorgeschrieben wurde, was sie an persönlicher Ausrüstung mitzubringen hatten. Lange war es ihnen selbst überlassen, inwieweit sie sich mit dem vom Ausrüster Vorge-schlagenem ausstatteten. Die Seeleute jener Zeit besaßen überwiegend auch nicht das Geld, um sich mit allem entsprechend ausrüsten zu können.

Trotzdem:
"Mit der Kiste und ihrem Inhalt war aber noch nicht alles beisammen! Jetzt kam noch der Seesack, der aus Segeltuch gearbeitet und ziemlich wasserdicht war. Der Seesack hatte aufzunehmen: 1 Paar Seestiefel, 1 Paar Deckstiefel, 3 wollene Decken, 1 Kopfkissen und 1 Ölzeug mit Südwester. Und zu guter Letzt brauchte man noch eine Seegrasmatratze und einen Kopfkeil, die mit einem starken Bindfaden zusammengebunden wurden." Karl Kircheiss,ebenda.

"Bei schönem Wetter holte Janmaat seine Seekiste an Deck,DK_Marstal_becket_a_gif.gif sein Heiligtum, die sauber zusammengelegten Landgangskleider werden gelüftet und nachgesehen und die sonstigen Habseligkeiten zum Vorschein geholt. Auf die, einer Truhe ähnelnden SeekisteDK_Troense_paintg_a_gif.gif legt der Seemann größten Wert, er ist stolz auf dieselbe, wenn sie besonders schön gearbeitet ist und mit kunstvollen Handgriffen verziert ist. Diese werden auf See abgeschraubt und durch einfachere ersetzt. Der Deckel ist von innen bemalt und je schöner das Bild, welches in den meisten Fällen ein Segelschiff unter vollen Segeln darstellt, desto stolzer öffnet Janmaat seine Kiste."  Oscar Schulz, Im Strom der Gezeiten, Kabel/DSM, Hamburg 1998


Die Seekiste: Ein alter Fahrensmann, " plaudert aus dem Nähkästchen ".

Hamburg, im Februar 1934

Liebe Anni,

Endlich ist auch Dein Wunsch in Erfüllung gegangen, denn bei Überreichung dieses Schreibens erhältst Du auch eine Seekiste (Miniatur). Da Dir nun kein alter Fahrensmann zur Verfügung steht, der Dir etwas über die Seekiste erzählen kann, muß ich wohl dieses Amt übernehmen. Ich tue es auch gern, weil ich weiß, ich habe eine aufmerksame Zuhörerin vor mir.

Zuerst wirst Du Dich wohl über Form, Farbe und Größe wundern. Was die Form anbelangt, so hat sie Ähnlichkeit mit einem Sarg und umgekehrt, die eines Schiffes. Da die Kiste wasserdicht sein muß, schwimmt sie gut und hält sich lange Zeit über Wasser. Auch wird das Zeug darin nicht naß, wenn mal ein Brecher ins Logis fegt.

Die Farbe hat sie von der Nordsee, denn ihr Wasser schimmert bei gutem Wetter grün, bei Schlechtwetter grün-gelblich, zum Unterschied zum Atlantik, welcher bei gutem Wetter blau, bei Schlechtwetter, schwarz schimmert. Drinnen, die weiße Farbe, erinnert an die Schaumköpfe bei schwerer See. Die Größe einer Seekiste beträgt 60 x 70 x 120 cm. Daß Du diese Art Seekiste jetzt wenig oder gar nicht zu Gesicht bekommst, liegt daran, daß unsere jetzigen modernen Seelüt ihre Ausrüstung in Pappschachtel oder Handkoffer an Bord nehmen. Mit Lackschuhen, weißem Oberhemd; Manschetten und Papierkragen war damals auf See nichts zu machen. Das mußte schon was deftiges sein, denn sonst bekam man leicht einen Schnupfen. Man mußte sich auf viele Monate mit warmen Flanellunterzeug versehen. Bei Schlechtwetter hatte man trotz Ölzeug keinen trockenen Faden an sich. Zumal im Herbst oder Winter. Um diese Zeit war es bei den Falklandinseln, Feuerland und um Kap Horn am schlimmsten. Es herrscht hier dann eine böse Kälte.Seekiste.v.1879__1_.gif Dann kamen wir in 14 Tagen, drei Wochen nicht aus unserem Zeug raus. Wir wurden ja nicht allein vom Regen, Schnee und Hagel naß, sondern es kamen auch immer große Brecher über Deck. Dieses Zeug, was man notwendig zur Ausrüstung gebrauchte, bedurfte mehr Platz, wie ein Dutzend Papierkragen. Auch dauerten die Reisen ja länger als wie heute. Unser Zeug mußten wir zum größten Teil selbst versehen und dann noch dazu in Seewasser. Mit dem Trinkwasser wurde sehr sparsam mit umgegangen, denn es war ja nicht ausgeschlossen, in Windstille zu geraten. Windstille ist eine große Gefahr für den Seemann, denn damals hatte die Schiffe keinen Motor.

Auf Liegeplätzen, wo wir längereZeit uns aufhielten, bekamen wir Waschfrauen an Bord. Ich glaube, ich habe schon erzählt, wie ich in Shanghai eine junge Negerin zur Waschfrau hatte, die mir sagte: "Nix kaputt, German". Liebe Anni, Du mußt entschuldigen, ich bin im Begriff, Seemannsgarn zu spinnen und komme ganz vom Thema ab.
Die Seekiste wurde als Sitzgelegenheit benutzt an der Back. An den Krampen, die Du unten an den Seiten siehst, war die Seekiste auf dem Boden festgelascht, denn sonst würden die Seekisten manchmal im Logis spazieren gehen.Freude und Kummer, alles trautest Du der Seekiste an. Ach, wenn eine Seekiste reden könnte! Auf ihr sitzt Du, wenn dich Heimweh plagt. Hier liest Du den Brief aus der Heimat. So ein Brief wurde immer wieder gelesen, namentlich, wenn er von zarten Mädchenhänden geschrieben war. Und dann die Gedanken. Und wie waren die weit, die waren in der Heimat, bei "Ihr".Die Seekiste barg deine Wertgegenstände. Aber was die Hauptsache war: Sie barg auch das Bild der Liebsten. Wenn so ein Bild eine Reise mitgemacht hatte und war nicht unter Glas, war es hinüber. Nicht vom Seewasser, sondern von den vielen Küssen. Dies wurde ganz heimlich gemacht, wenn kein Mensch zugegen war. Darum brauchst Du nicht zu lachen Anni! Stelle Dir vor: Ein junger Mann, kerngesund, immer frische Luft; bei kräftiger Kost, viele Monate nicht an Land und de ganze tied keen Deern? Dor mus jo dorchdreih`n. Nun bist Du auch über die Abnutzung des Bildes im Bilde? Eine Seekiste wurde immer fein behandelt. Schön unter Farbe und eine saubere Decke darüber. Die Seekiste wurde wie eine Braut gehalten,Seekiste.v.1879__2_.gif nur, daß man sie nicht mit zur Koje nehmen konnte.

Bei Schiffbruch wurde auch immer danach getrachtet, daß die Seekisten an Deck kamen. Natürlich, wenn noch Zeit dazu war, oder das Logis nicht unter Wasser war.
Von mehreren Seekisten konnte man ein schönes Floß bauen. Manche Seekiste hat ihrem Besitzer das Leben gerettet. Man konnte sich am Griff festhalten, bis Hilfe nahte. Blieb diese aus, ging man mit der "Braut" ins Seemannsgrab.Die Decke, welche die Seekiste zierte, nenne ich "Passatdecke" und zwar aus dem Grunde, wenn wir im Passat (gleichmäßiger Wind aus einer Richtung) fuhren, solche Sachen gemacht wurden. Wir hatten ja dann mit Setzen und Brassen der Segel und Reefen nichts zu tun und vertrieben uns,seekiste.u.a._020a.gif mit solcher "Püttjersarbeit", die Zeit . Auch diese kleine Decke ist eine Passatdecke, denn ursprünglich hat diese Decke meine Seekiste geziert und stammt aus einem Stück Segeltuch von der Royal, welche uns bei Cap Horn kaputt ging. Tja, was ist nun die Royal, wirst Du fragen? Die Royal ist die höchste Rah am Mast und wird vom Schiffsjungen und Leichtmatrosen bedient.Später hat Tante Mina die Schürze (welche sie beim Waschen umband) umgearbeitet. Ich habe gehört, daß Frauen eine kolossale Kraft auf`n Bauch haben, namentlich, wenn sie bei der Wäsche sind. Dadurch hat auch diese Decke gelitten und ist sehr mürbe geworden. Es war auch keine Kleinigkeit, diese Decke zurecht zu bekommen. Aber ich dachte, liebe Anni, da Du doch an der Wasserkante geboren bist, mußt Du doch auch was haben, was Seewasser gerochen, gutes und schlechtes Wetter mitgemacht, in Windstille gelegen und den Äquator passiert hat. Darum wirst Du auch wohl sicher die Fehler, welche der Decke anhaften, überwegsehen. Hier war ja bisher die Rede von einer richtig gehenden Seekiste.seekiste.u.a._022aa.jpg Nun habe ich diese zum "Nähkästchen" degradiert. Form und Farbe sind geblieben. Aber nicht die harten Arbeitsfäuste des Jungmaaten werden diese kleine Seekiste in Anspruch nehmen, nein: Nur zarte Frauenhände werden sich künftig mit ihr beschäftigen. Eins aber wird sich gleichbleiben: Auch Du wirst häufig sinnig vor ihr sitzen und ihr alles anvertrauen und mit ihr teilen. Kein Jammerwort von Heimweh und Liebeskummer, sondern kaputtes Zeug. Ja, sie hat sich auch vorgenommen, ganz neue Bekleidungsstücke mit Dir herzustellen. Auch wird sie Dir Garn geben, aber ein anderes als was sonst auf der Seekiste gesponnen wurde.

Nun wünsche ich, liebe Anni, daß diese kleine Seekiste Dir recht lange und immer Freude bereiten möge. Daß sie Dir immer zur Seite steht als treuer Helfer und Kamerad.Sie ist mit Sorgfalt und Liebe gebaut, wie Du auch immer lieb und gut zu mir warst. Wenn Du in späteren Jahren ( wenn ick all but`n Land`s bün op`n Kai ling`n do ) diese kleine Seekiste vor Dir stehen hast, wenn Du dann zurück denkst an die Vergangenheit, so spende auch ein paar Brocken der Erinnerung an

Dein Onkel Fiede"

Anmerkung: Die kleine Seekiste, wie auch eine Kopie des Originalbriefes, befinden sich in der Sammlung des Museumsschiffes "Rickmer Rickmers" in Hamburg.

 

Seekistengriffe/ Sea Chest Beckets

Im folgenden einige "nach guter Seemannsweise" vom Verfasser dieser Seite gefertigte Seekistengriffe. Tragegriffe derartiger Muster finden sich besonders an Seekisten des 19.Jahrhunderts, die in maritimen Museen Westeuropas und besonders der USA ausgestellt sind.

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Sie besitzen eine Seekiste deren Griffe überholungsbedürftig, oder gar nicht vorhanden sind? Ich repariere diese oder fertige neue: Nach alter Seemannsweise!
Kontakt: jacktar@foni.net